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Leider

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leider
Achten Sie doch bitte mal die nächste Zeit auf das kleine Wörtchen „leider“. Das wird nämlich sehr häufig achtlos eingesetzt – und kann dadurch nach hinten losgehen. Das Lustigste, was ich vor einigen Jahren gesehen habe, war ein Plakat in einem öffentlichen Gebäude. Darauf standen Verhaltensregeln à la „Leider dürfen Sie nicht …“, unter anderem (kein Witz!):

Leider dürfen Sie sich nicht betrinken und anschließend bei uns im Gebäude rumhängen.

Natürlich stand das in etwas hochgestochener Formulierung. Doch die Message war tatsächlich „Leider dürfen Sie sich in unserem Gebäude nicht betrinken und dann weiter bei uns aufhalten.“

Der Plakat-Texter war einer weit verbreiteten Gedankenlosigkeit aufgesessen: Er wollte es gerne höflich und servicebewusst formulieren und nicht lauter Verbote aussprechen, also hat er es schlicht mit einem „leider“ gedämpft.

Besonders schwierig für Einzelunternehmer

Sagen wir, jemand fragt Sie, ob Sie Skonto auf eine Rechnung geben. Das tun Sie nicht und sagen Ihrem Kunden:

„Leider gibt es kein Skonto.“

Dann fragt sich der: Hä? Wenn es ihm leid tut, könnte er mir ja einfach Skonto einräumen!”

Genauso absurd ist es mit der Frage nach einem Nachlass. Kürzlich wurde ich gefragt, ob wir auf Selbstlernkurse Studentenrabatt geben. Tun wir nicht. Tun wir aber nicht „leider“ nicht, sondern wir haben keine Studentenrabatte. Punkt.

Wenn ich antworte: „Leider gibt es keinen Studentenrabatt bei uns.“, dann wird er sagen: „Was? Wollen Sie mich veräppeln: Sie geben mir halt keinen! Leid tut Ihnen das ganz und gar nicht, sonst würden Sie etwas dagegen tun.“

Und er hätte recht. Es tut mir nicht leid, dass es keinen Rabatt gibt. Es gibt keinen, weil wir das so entschieden haben.

Die Folge ist: Eine Absage findet der Student nicht so gut, er hatte sich einen Rabatt natürlich erhofft, aber musste auch davon ausgehen, dass er ein “Nein” hört. Wenn er sich aber veräppelt fühlt, dann wird er mir und unserem Unternehmen nicht mehr besonders wohl gesonnen sein. Nicht wegen der Absage des Rabattes, sondern wegen der Wirkung des unehrlichen “leider”.

Bitte prüfen Sie immer, wenn Sie versucht sind, ein „leider“ einzuflechten, ob es auch eine Leider-Sache ist.

Was sind Leider-Sachen?

Leid tut einem etwas,
– das man bedauert,
– was man selbst schade findet,
– wo man etwas versemmelt hat
– oder nicht in der Lage ist, etwas zu tun:

  • Leider habe ich nicht, wie vereinbart, am Freitag nachmittag noch angerufen …
  • Leider habe ich eine falsche Postleitzahl auf den Brief geschrieben …
  • Es tut mir leid, dass wir in dem Fall nicht zusammenkommen. Ich habe im Bereich xy nicht genug Erfahrung, um Ihren Auftrag guten Gewissens anzunehmen.
  • Es tut mir leid, dass Sie sich über unseren Online-Shop geärgert haben …

… und bitte nicht dahinsagen!

Wenn Ihnen etwas nicht leid tut, dann sagen Sie auch nicht „leider“. Nehmen wir das Beispiel Reklamationen. Das ist meistens ein so aufgepeitschtes Thema, dass viele Leute sich lieber die Zunge abbeißen, als zu sagen, dass ihnen etwas leid tut. Eine gute Empfehlung ist es durchaus, sich zu entschuldigen – und zwar nicht zwingend inhaltlich, sondern eben beispielsweise dafür, dass der Kunde sich geärgert hat.

Nehmen wir nochmal das Beispiel mit dem Online-Shop. Sagen wir, Sie verkaufen etwas über das Internet und haben nun eine ärgerliche E-Mail von einem Kunden bekommen, der sich echauffiert, dass Ihr System nicht kundenfreundlich ist. Sie erkennen aufgrund der Sachlage, dass es ein Anwenderfehler dieses Kunden ist – es also „seine Schuld“ ist. Und Sie ärgern sich, dass er Sie gleich so angreift.

Jetzt könnte es sein, dass Sie sich denken: ‘Ach, man soll ja Leute bei Reklamationen ernst nehmen und sich auch entschuldigen können. Schreibe ich halt mal, dass es mir leid tut':

„Es tut mir leid, dass Sie sich über unseren Online-Shop geärgert haben …“

Wenn Sie aber in Wirklichkeit selbst wütend sind, weil Sie jetzt auch noch „zu Kreuze kriechen“ mit einem Leider (was nicht so ist, aber sich durchaus so anfühlen kann), dann lassen Sie es bitte bleiben. Guter Tipp hin oder her! Sie werden sich schlecht fühlen und wenn Sie sich immer wieder so verhalten, dann tritt diese Steter-Tropfen-höhlt-den-Stein-Geschichte ein: Sie werden nach und nach Groll gegen Ihre Kunden aufbauen.

Sie können auch ohne ein „Leider“ ganz wunderbar sachlich und freundlich antworten.

„Oh, hat die Bestellung in unserem Shop nicht auf Anhieb geklappt? Ich habe eben nachgesehen: Der Grund ist, dass … Bitte versuchen Sie es so noch einmal.“

Wichtig ist, dass Sie auf die Beschwerde in irgendeiner Weise eingehen – in diesem Fall durch mein „Oh, hat es nicht geklappt?“ als Einleitung für die mögliche Lösung.

Wenn Sie einfach so eine Überleitung weglassen, dann kommt Ihre Antwort immer entweder anonym oder als Gegenrede an. Stellen Sie sich vor, Sie haben eine Bestellung nicht absetzen können und bekommen dann unvermittelt diese Antwort:

„Unser Shopsystem erfordert … Der Grund, dass es nicht geklappt hat, war …“

Ärgerlich, oder?

Achten Sie die nächste Zeit auf „leider“

Stellen Sie in der nächsten Zeit Ihre Lauscher auf, wann immer Sie ein „leider“ sehen, hören oder selbst versucht sind, es zu nutzen. Bemerken Sie, wann es offensichtliches Beiwerk ist, Sie vielleicht sogar selbst ärgert („Leider kann ich Dir nicht beim Umzug helfen. Ich will am Samstag lieber bummeln gehen.“) und wann Sie es nutzen, obwohl Ihnen eine Sache in Wirklichkeit nicht leid tut.

Bemerken Sie, wie es sich anfühlt. Und korrigieren Sie Ihre eigene Sprache und Korrespondenz dahingehend, dass Sie auch wirklich meinen, was Sie sagen – damit es die beabsichtigte Wirkung auch erzielt und nicht nach hinten losgeht.

 

Dieser Artikel war früher auf meiner Website unternehmenskick.de zu finden, die ich mit Ralf und Christine geführt habe. Darum das “wir” und der Hinweis auf Selbstlernkurse.

 


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